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Lymphödem Einleitung
Unter dem Begriff „Ödem“ versteht man eine vermehrte Ansammlung von Flüssigkeit im Gewebe. In diesem Fall handelt es sich um Lymphflüssigkeit, welche durch Störungen im Lymphdrainagesystem von diesem nicht ausreichend abtransportiert werden kann. Diese chronische entzündliche Erkrankung des Zellzwischenraums, hervorgerufen durch das defekte Lymphsystem, wird als Schwellung von Aussen sichtbar. Sie ist zunächst hautfarben und schmerzlos. Sehr häufig sind die Beine und/oder die Arme betroffen. Je nach Ursache können Lymphödeme einseitig oder beidseitig auftreten. Treten sie beidseitig auf sind sie immer asymmetrisch. Das bedeutet, dass ein Bein oder ein Arm stärker betroffen ist als der andere. Drückt man mit einem Finger länger auf eine betroffene Stelle, so bleibt eine Delle zurück. Diese bildet sich im Gegensatz zu einem wasserreichen Ödem erst sehr langsam zurück. Grund dafür sind die in der Flüssigkeit vorhandenen Stoffwechselprodukte, wie z.B. Eiweißmoleküle. Lymphödeme sind nicht reversibel, das heißt sie sind nicht heilbar. Werden Lymphödeme nicht behandelt, führt dies zu einer Vielzahl an Komplikationen und das kann schwere Folgen haben.
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Lymphödem Ursachen
Beim Lymphödem wird zwischen der eher seltenen primären Form und der sekundären Form unterschieden. Beide Formen, ob angeboren oder erworben, können unterschiedliche Ursachen haben. Bei den genetisch bedingten, den angeborenen Lymphödemen kann zum Beispiel eine verminderte Anzahl von Lymphknoten vorliegen oder sie fehlen ganz. Auch möglich ist eine unvollständige oder gar nicht vorhandene Ausbildung der Lymphgefäße. Ebenfalls kann es zu einer Lymphknotenfibrose kommen, was heißt, dass die Lymphknoten sich mit der Zeit verhärten. Selten sind primäre Lymphödeme schon bei der Geburt vorhanden. Oft machen sie sich erst während der Wachstumsphase, meist in der Pubertät, bemerkbar. Des Weiteren unterscheidet man noch einmal unter dem zeitlichen Aspekt. Tritt das Lymphödem vor dem 35. Lebensjahr auf wird es als „Lymphödema praecox“ bezeichnet. Nach dem 35. Lebensjahr dann als „ Lymphödema tardum“. Frauen sind dabei fünfmal häufiger betroffen als Männer.
Sekundäre Lymphödeme können als Folge verschiedener Erkrankungen, Verletzungen oder Therapien entstehen. Hier findet sich die häufigste Ursache in der Entfernung von wichtigen Lymphknoten z.B. bei einer Krebserkrankung. Ob oder wann in diesem Fall ein Lymphödem auftritt hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. Doch durch die vorangegangene operative Entfernung von Knoten ist die Transportkapazität eingeschränkt. Faktoren wie körperliche Überanstrengung, Verletzungen des Gewebes oder Infekte können allerdings als Auslöser für das Versagen des Lymphsystems reichen, um die nicht reversiblen Ödeme zu provozieren. Unabhängig von einer Lymphknotenentfernung gibt es weitere Ursachen für ein sekundäres Lymphödem: Bestrahlungen, bösartige Veränderungen, Infektionen und Traumata oder eigens herbeigeführte Abschnürungen von Gliedmaßen, sowie Venenentnahmen zur Bypassoperation können das Ödem ebenfalls hervorrufen.
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Symptome und Anzeichen
Die Schwellungen des Lymphödems schmerzen nicht und werden in unterschiedliche Stadien eingeteilt. Sie sind prall und weisen vertiefte natürliche Hautfalten an den Gelenken auf. Egal ob es sich um ein einseitiges oder ein asymmetrisches Ödem handelt, ist es am Fuß oder Unterschenkel lokalisiert, so ist auch der Fußrücken mitbetroffen. Genauso wie am Arm der Handrücken. Ein zuverlässiger Test um ein Lymphödem zu erkennen ist außerdem das sogenannte „Stemmer`sche Zeichen“. Hierbei versucht man an der zweiten Zehe eine Hautfalte abzuheben. Ist dies möglich ist das Stemmer`sche Zeichen negativ. Ist es jedoch nur schwer oder aber gar nicht möglich, spricht man von einem positiven Stemmer´schen Zeichen. Dies weist auf ein Lymphödem hin. An dieser Stelle spricht man auch von Kastenzehen, da die Fußzehen durch die Schwellung nicht mehr rund aussehen, sondern eher eckig wie ein Kasten.
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Verlauf - Einteilung nach Schweregrad
- Stadium 0
Latenzstadium. Das Lymphsystem ist geschädigt, kann aber die Einschränkung kompensieren. Es sind keine Schwellungen vorhanden. - Stadium 1
Ödem mit weicher Konsistenz. Bei Druck bildet sich eine Delle die für einige Zeit bestehen bleibt. Die über den Tag gebildeten Schwellungen reduzieren sich bei Hochlagerung deutlich oder verschwinden sogar ganz. - Stadium 2
Ödem mit Gewebsveränderungen. Die Haut ist verhärtet. Bei Druck lassen sich Dellen nur schwer oder gar nicht eindrücken. Die vorhandenen Schwellungen gehen auch bei längerer Hochlagerung nicht mehr weg. - Stadium 3
Die Gewebsveränderungen im Ödembereich werden drastischer. Es kann zu Bläschenbildung kommen aus denen Lymphflüssigkeit austritt. Sehr harte Schwellung die sich bis hin zur Elephantiasis ausweiten kann.
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Therapie
Zur Behandlung des Lymphödems wird nach der Leitlinie die komplexe physikalische Entstauungstherapie (KPE) angewendet. Die Hauptziele der Therapie sind die im Gewebe gestaute, eiweißhaltige Flüssigkeit zu mobilisieren und den Abtransport über das Lymphgefäßsystem zu fördern. Auch ist es langfristig wichtig verhärtetes Gewebe, sogenannte Fibrosen, zu lockern. Die KPE setzt sich aus folgenden Bereichen zusammen:
- Manuelle Lymphdrainage (MLD)
- Kompression
- Bewegungstherapie
- Hautpflege
Wird ein Lymphödem oder auch ein Lipo-Lymphödem diagnostiziert beginnt die Behandlung mit der Entstauungsphase (Phase 1 der KPE). Mittels manueller Lymphdrainage wird das Gewebe zunächst entstaut. Dies sollte in stationären spezialisierten Einrichtungen geschehen. Die Lymphdrainage hat das Ziel die Flüssigkeit im Gewebszwischenraum zu mobilisieren, um sie anschließend durch Kompression mit mehrlagigen Wechselverbänden abzuleiten. Alle vier Komponenten der KPE sollten täglich 1-2 x angewendet werden. Erst wenn keine Minimierung der Umfänge mehr erreicht werden kann beginnt die Phase 2.
In der Erhaltungsphase soll der Therapieerfolg aufrechterhalten und optimiert werden. Hier können je nach Bedarf 1-3 MLD Anwendungen pro Woche ausreichen. Die Kompression spielt in dieser Phase eine tragende Rolle. Essentiell für den langfristigen Erfolg ist in diesem Kontext das Tragen von maßgefertigten, flachgestrickten medizinischen Kompressionsstrümpfen. In der Erhaltungsphase erfolgt die Versorgung durch spezialisierte Sanitätshäuser. Die Patienten werden durch ihren Arzt und Experten für Flachstrickversorgungen langfristig begleitet. Auch die Komponenten Bewegung und Hautpflege dürfen nicht vernachlässigt werden, wenn das Ziel, das Fortschreiten des Ödems zu verhindern, erreicht werden soll. Gerade die Hautpflege ist sehr wichtig, um Folgeerkrankungen die die Haut betreffen langfristig in Schach zu halten.
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Komplikationen
Ein Lymphödem ist nicht heilbar. Bleibt es unbehandelt kommt es über kurz oder lang zu Komplikationen. Erysipele, sogenannte Wundrosen, zählen zu den häufigsten Komplikationen des Lymphödems. Durch die Schwellungen kommt es leicht zu Mikroverletzungen der Haut, die oft nicht bemerkt werden. Sie bieten eine Eintrittspforte für Krankheitserreger, meist Streptokokken, die dann Hautinfektionen verursachen können. Da Streptokokken sich in Lymphspalten setzen haben Lymphpatienten mit einem geschädigten System ein erhöhtes Risiko eine Wundrose auszubilden. An Hautstellen außerhalb des Lymphstaus besteht keine erhöhte Gefahr für ein Erysipel.
Erste Anzeichen für eine Hautinfektion sind Schüttelfrost und hohes Fieber. Auch kann es zu Übelkeit und Erbrechen kommen. Die betroffenen Hautstellen werden in kürzester Zeit flächig rot und wärmer als die benachbarten Hauptpartien. Schwellung und Schmerzen folgen und breiten sich bis zu dem Punkt aus an dem der Lymphabfluss wieder normal funktioniert. Man unterscheidet zwischen verschiedenen Verlaufsformen. Schwere Erysipelinfektionen, welche mit hohem Fieber und Bewusstseinstrübungen einhergehen, müssen im Krankenhaus behandelt werden.
Schwächere Formen weisen kein bis leichtes Fieber auf und zeigen kleinflächige, lokal begrenzte Rötungen.
Der sogenannte atypische Verlauf ist beschwerdefrei und es bilden sich vereinzelte rote Flecken aus, die nach 1-2 Tagen wieder verschwinden.
Eine weitere Komplikation stellen Lymphzysten und Lymphfisteln dar. Treten auf den vom Ödem betroffenen Hautstellen vereinzelte oder gruppierte Bläschen auf, so handelt es sich höchstwahrscheinlich um Lymphzysten. Hierbei handelt es sich um kleine nach außen getretene Lymphgefäße. Die unter starkem Druck stehenden Gefäße werden durch Gewebespalten an die Hautoberfläche gedrückt. Öffnen sie sich werden sie als Lymphfisteln bezeichnet. Dabei fließt Lymphe in Form von klarer Flüssigkeit aus ihnen heraus - dies kann bei starkem Gefäßdruck über Stunden und Tage andauern. Häufig betroffene Stellen sind bei Beinlymphödemen der Zehenbereich und die Zehenansätze. Die Unterschenkelvorderseite, die Leisten und die äußeren Genitalien können auch betroffen sein. Bei Armlymphödemen kann es vermehrt im Bereich der Achsel und gelegentlich am Unterarm zu Lymphzysten kommen.
Auch gutartige Hauttumore, die man als Papillome bezeichnet, zählen zu den Spätfolgen eines Lymphödems. Durch den starken Gewebsdruck kann die Haut dazu angeregt werden diese gutartigen Tumore auszubilden. Diese bilden sich zu meist nicht einzeln, sondern in Gruppen und werden als Papilomatose bezeichnet. Wird das Gewebe durch manuelle Lymphdrainage und Kompressionstherapie druckentlastet, können sie sich zurückbilden. Typischerweise treten auch diese an den Zehen, bevorzugt am 2. Zeh vom großen Fußzeh ausgehend und an den Unterschenkelvorderseiten auf. Werden sie zu groß, verursachen Beschwerden oder stören müssen sie operativ entfernt werden.
Begleitend zum Lymphödem kommt es sehr häufig zu Pilzerkrankungen. Betroffen sind hier in der Regel die Zehenzwischenräume und Zehennägel. Aufgrund des feuchten Klimas bieten sich beste Voraussetzungen für die Besiedlung mit Pilzsporen. Die Pilzerkrankung fördert Hautrisse, welche wiederum Streptokokken Einlass gewähren können. Wie bereits beschrieben birgt dies die Gefahr für Wundrosen. Eine konsequente Hautpflege sowie Fußpilzbehandlung ist daher unerlässlich um Komplikationen vorzubeugen.